Salute, Bert Neumann!

Die Volksbühne Berlin feierte ihren im Sommer verstorbenen Chefbühnenbildner Bert Neumann mit einem großen Konzert. Ich feierte – und trauerte – mit.

Wodka und Salzgurken

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Do You See The Rabbit On The Roof

Als Noch-Intendant Frank Castorf um Punkt Mitternacht „Salute, Bert!“ in die Weite der Volksbühne rief und die zu Hunderten erschienenen Zuseherinnen und Zuseher ihre zuvor ausgeteilten Wodkagläser und Salzgurken zum finalen Prost hoben, als schließlich vier Techniker Salutschüsse abfeuerten, da gewann dann doch für einen kurzen Moment die Trauer Überhand. Unter dem Titel „Do you see the rabbit on the roof?” hatte die Volksbühne in der Nacht vom 8. zum 9. November zur posthumen Geburtstagsfeier für ihren im Sommer verstorbenen Chef-Bühnenbildner Bert Neumann geladen. Und alle waren sie gekommen: Silvia Rieger und Sophie Rois, Kathrin Angerer und Alexander Scheer, Marc Hosemann und Daniel Zillmann. Diese und noch viel mehr Mitglieder der inzwischen auch schon etwas verstreuten Volksbühnenfamilie sangen, krächzten und brüllten, begleitet von der Band Goshark, den Verlustschmerz in einem wilden Konzert nieder.

Volksbühnen-Ensemble aus Diven

Gefeiert wurde nicht nur der Geburtstag Neumanns, sondern auch dessen letzter Bühnenraum. Für die „Brüder Karamasow“ in Castorfs Regie hatte er die Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben und beide auf eine – grandios zubetonierte – Ebene gebracht. Schwarz-schimmerndes Lametta umrundet nun die ganze weitere Saison diese Bühnenfläche, die in ihrer Radikalität wohl nur an einem Haus wie der Volksbühne denkbar ist. Beginnend mit seiner ersten Volks-Bühne für Castorfs „Räuber“ prägte Neumann, der auch das grafische Erscheinungsbild des Hauses gestaltete, einen ganz eigenen, unverwechselbaren Theaterstil. Das Zusammenkommen der Truppe anlässlich seines Todes zeigt nun noch einmal, weshalb an diesem Ort Theatergeschichte geschrieben wurde: Weil hier ein einzigartiges Ensemble aus lauter Diven zusammenfand, dem Bert Neumann die Bühne bereitete.

Abschied von Bert Neumann

Und so gilt die Wucht und Kraft des Konzertes neben dem Bühnenbildner auch dem eigenen Abschied, übernimmt doch 2017 der Kurator Chris Dercon das Haus. Wenn beim spätnächtlichen Verlassen der Volksbühne das legendäre und ebenfalls von Bert Neumann gestaltete „Räuber-Rad“, Erkennungszeichen und Logo des Hauses, voller brennender Kerzen steht, dann ist er wieder da: Der Schmerz über den Verlust eines großen Bühnenbildners, aber auch der Schmerz über das voraussehbare Ende einer Theaterepoche.

Erschienen in: gift, 1/2016, S. 73