Akemi Takeya – Portrait einer Künstlerin

Copyright: Karolina Miernik

Die klassischen Anfangssätze greifen nicht für ein Portrait der Choreografin, Tänzerin und Performancekünstlerin Akemi Takeya. Zu ungewohnt, zu wenig geradlinig ist ihr Weg auf die Bühne. 1961 in Aomori, Japan geboren, will sie als Kind vor allem eines: Sängerin werden, das Klavier lernen, doch ihr Vater ist dagegen, den Weg zur Kunst muss sie also alleine finden. Lange träumt sie davon, als Jazz-Sängerin in New York zu reüssieren, landet 1991 schließlich aber nicht in der Weltmetropole, sondern, in Wien, einer Beziehung wegen. In Europa schockiert sie vor allem die Selbstbezogenheit, das Beharren auf dem eigenen Ich, wo doch in Japan die Menschen Masken trügen, wie sie einmal sagt. Doch dieser Bruch ist es auch, der ihr Werk von hier aus prägt, beginnt sie doch, ihren Weg zwar nicht in der Musik-, aber in der aufblühenden Performance- und Tanzszene zu finden.

Eine janusköpfige Künstlerin

Sie wendet sich dieser Kunst zu, weil sie etwas zeigen will, das sie mit Worten nicht ausdrücken kann. „Bewegungen und Musik werden zum Medium zwischen den Menschen und mir.“ Dabei ist sie bereits Ende dreißig, als sie ihre erste Aufführung wagt, andere Choreograf_innen beginnen meist zehn Jahre früher, die Bühnen zu bespielen. Doch diese „Verschiebung nach hinten“, wie sie selbst es nennt, hat auch ihr Gutes, denn obwohl sie auch heute noch behauptet, ihre Stärken als Künstlerin nicht genau zu kennen und sich nicht sicher zu sein, wer sie überhaupt sei, so wirken ihre frühen Arbeiten in der Rückschau doch künstlerisch klar konzipiert und professionell umgesetzt, ohne jedoch die immanente spielerische Leichtigkeit zu verlieren. Auch bleibt eine Verletzlichkeit erhalten, die biografische Gründe hat. Denn wenn sie heuer, 2018, ihr neues Werk Tapped/Untapped im Rahmen der mumok-Ausstellung Doppelleben zeigt, so trifft der Titel den Kern ihres Werkes frappierend genau. Janusköpfig beschreibt sie sich im Gespräch selbst, als eine Künstlerin zwischen Ost und West, zwischen Jung und Alt und schließlich zwischen Dunkel-Melancholisch und Himmelhoch-Jauchzend. Dieses „Dazwischen“ prägt sie, macht ihre Arbeiten so spannend und risikoreich.

Das ICH im Zentrum des Tanzes

Das zeigt sich gleich bei Akemi Takeyas ersten Stück in Europa, mit dem sie 1997 im damaligen dietheater Künstlerhaus debütiert: Imeka, ihrem verstorbenen Vater gewidmet. Der Titel: Nichts anderes als ihr eigener Name, von hinten nach vorne gelesen. Das Stück soll ihr ermöglichen, in Europa unabhängiger zu werden, über das eigene Spiegelbild die Individualität zu stärken. Japan ist dabei als roter Punkt, als Sonne auf der Bühne präsent – als eine Art Symbol für die Herkunft. Noch heute betont sie im Gespräch, dass es in dieser frühen Phase ihres Werkes vor allem um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich geht. Diese Auseinandersetzung bleibt bis zu ihrem Stück Drowning Fish, mit dem sie 1999 den Austrian Dance Production Prize gewinnt, im Zentrum ihres künstlerischen Interesses. Mit den Armen formt sie als Illustration Kreise um ihren Körper, markiert einen engen Zirkel. Warum dieses Beharren auf dem eigene Ich? „Weil ich in Europa ein neues ICH finden musste, das sich der europäischen Kultur als Asiatin stellt, weil ich ein ICH mit Stolz und Selbstvertrauen suchen musste, um meine eigene Stellung in der Kunstwelt zu finden. Ich musste einfach wissen, wer ich bin.“ Und doch schafft sie mit jedem neuen Werk, vom Portrait als tragische Heldin in Black Honey Drops 2001 bis zu Little Stories about S.O.S, das sie 2014 als Solostück, 2015 dann als Gruppenarbeit zeigt, einen neuen Zugang für dieses sie so bestimmende Thema.

Hin zum Zitronismus!

Akemi Takeyas LEMONISM

Akemi Takeya verbindet bildende Kunst und Tanz, Stimm und Körperarbeit, wendet sich Tanzströmungen wie dem japanischen Butoh zu und integriert Wissenschaft und Kunst. In einer Kritik wird ihre Handschrift einmal zwischen „Poesie, großen Gesten, Mimik, Posen, bildender Kunst und grafischen Elementen“ festgemacht. Der Bruch nach außen erfolgt – wie könnte es anders sein – über die Welt der Kunst. Spätestens mit ihrer LEMONISM-Reihe öffnet sie ab 2015 nämlich „eine Tür“, wie sie es beschreibt. Zwar bleibt die Arbeit mit dem (eigenen) Körper bestimmendes Merkmal, doch nun verbindet sie diese Auseinandersetzung mit den diversen Kunst-ISMEN des 20. Jahrhunderts, vom Minimalismus über Surrealismus bis hin zum Aktionsimus. Plötzlich steht ihr eigenes Ich in einer Traditions- und Kampfeslinie mit den westlichen Kunstströmungen, denen sie ihren eigenen Zitronismus entgegenwirft.

Schreiben, schreiben, schreiben

Little Stories About S.O.S.

Ihre ganz eigene, unverwechselbare Performancemethode entwickelt sie dabei weiterhin als innere Auseinandersetzung, amalgamiert in ihren Performances Gedanken aus Tagebüchern, Träumen und Essays. Denn eigentlich schreibt sie immer: kleine Notizen hier, Texte und Gedichte da. Nur einige von ihnen finden tatsächlich den Weg auf die Bühne, doch als Hintergrund sind sie immer präsent. Zu den beiden Versionen ihres Stücks Little Stories about S.O.S veröffentlicht sie sogar ein Buch als kreative Dokumentation und performative Anleitung, dem sie nach den darin enthaltenen „Rezepten“ den Titel Performance Recipe Book gibt.

Was aber folgt nach dem Öffnen der Tür nach draußen für die Bühne? „Ich habe mich entschieden, selbstkomponierte Songs in meinem neuen Stück Tapped/Untapped vorzustellen. Tapping kommt aus der therapeutischen Körperarbeit, ist ein Klopfen auf den Körper, das zu einem Beat wird. Zu einem Beat, der glücklich macht, zu einer Katharsis führt.“ So bleibt, auch nach allen Transformationen, eine Künstlerin an der Schnittstelle von Kontinenten, Kulturen und Tanzstilen, die jedoch nicht einfach versucht, die Widersprüche aufzulösen, die diese Widersprüche vielmehr als Zerreißprobe begreift, als produktiven Anlass zur Ambivalenz. „Es ist wie das Mischen von zwei Farben, die genaue Prozentzahl der Farben ist unbekannt. Die neu gemischte Farbe aber sehe nicht ich, nur das Publikum.“

Als PDF downloaden

Website von Akemi Takeya